Islamischer Friedhof 2004
Thomas Schmidinger

Abschied von Rückkehr
Errichtung des islamischen Friedhofs

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Nach über 15 Jahre lang geführten Gesprächen zwischen der islamischen Glaubensgemeinschaft und der Gemeinde Wien wurde im Dezember 2001 auf einem 34.000 Quadratmeter großen Areal in Liesing ein islamischer Friedhof in Aussicht gestellt. Lediglich die FPÖ votierte gegen die Errichtung einer eigenen islamischen Begräbnisstätte in Wien. Das Grundstück zwischen Laxenburger Straße, Haböckgasse und Großmarktstraße bietet für rund 2.800 Gräber Platz.
Die ägyptische, islamische und die alte islamische Abteilung am Zentralfriedhof, die langsam an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, bleiben jedoch weiter erhalten. Dort, am Wiener Zentralfriedhof, wurden bereits vor dem ersten Weltkrieg die ersten MuslimInnen bestattet, wovon ein letzter namenloser osmanischer Grabstein Zeugnis ablegt. Auch orthodoxe, armenische, koptische oder syrisch-orthodoxe ChristInnen finden dort ihre letzte Ruhestätte.
Die Mehrheit von den seit den 60er Jahren als ArbeiterInnen nach Österreich gekommenen MuslimInnen überführte bisher ihre Toten in ihre „Herkunftsländer“. Sind die Kinder und Enkel bereits in Österreich geboren und ist eine „Rückkehr“ zunehmend unwahrscheinlich, nimmt auch das Bedürfnis zu, sich in Österreich bestatten zu lassen und nicht mehr eine teure Überführung ( Euro 2.000.- bis 11.000.-) in ein Land zu finanzieren, in dem nur mehr entfernte Verwandte leben.
Außerhalb Wiens werden MuslimInnen jedoch noch länger auf eigene Friedhöfe warten müssen. In anderen Bundesländern wie etwa in Vorarlberg steht die Diskussion über die Errichtung islamischer Friedhöfe noch an ihrem Beginn. Wer nicht überführt werden möchte, kann zwar auf einem christlichen Friedhof bestattet werden, allerdings wird dabei oft nicht auf islamische Vorschriften Rücksicht genommen. In Vorarlberg scheiterte die Errichtung eines islamischen Friedhofs bisher daran, dass sich die verschiedenen Gemeinden nicht auf ein gemeinsames Projekt einigen konnten.

Friedhof Video




Der neue islamische Friedhof in Wien
"ein Zeichen der Integration"




Der geplante Friedhof im 23. Wiener Gemeindebezirk wird der erste eigene islamische Friedhof in Österreich. Obwohl der Islam bereits seit dem 20.
Mai 1874 als Religionsgemeinschaft anerkannt ist und mit den Bosnischen Regimentern in der K.u.K. - Armee auch ein Militärmufti in Wien Einzug hielt, kam der Großteil der hier lebenden MuslimInnen erst in den 60er Jahren als ArbeitsmigrantInnen nach Österreich. Ließen sich viele dieser
Menschen nach ihrem Tod noch in ihre Herkunftsländer überführen, so nimmt für die bereits in Österreich geborenen MuslimInnen das Bedürfnis zu, auch hier bestattet zu werden.
Der neue Friedhof (mit 2.800 Grabstellen) zeigt, dass muslimische EinwanderInnen nicht mehr arbeitende Gäste sind, die irgendwann wieder zurückkehren.
Die Aufschließungsarbeiten, die von der Stadt Wien übernommen wurden, sind bereits in vollem Gange. Für Teile der Baulichkeiten, in denen etwa die rituellen Leichenwaschungen durchgeführt werden sollen, fehlt der Islamischen Glaubensgemeinschaft aber noch Geld.



Ein Friedhof als Politikum
"den AnrainerInnen steht kein Wirbel ins Haus"



Im Wiener Gemeinderat war die Errichtung eines eigenen islamischen Friedhofs umstritten. Insbesondere die FPÖ intervenierten gegen den Bau, aber auch viele AnrainerInnen versuchten mit Protestbriefen die Errichtung des Friedhofs zu verhindern.
Die Stadt Wien, die den Grund als Schenkung der Islamischen Glaubensgemeinschaft übertrug, knüpfte daran die Bedingung, dass Angehörige aller islamischen Glaubensrichtungen auf dem Friedhof bestattet werden sollten. Die Islamische Glaubensgemeinschaft, die sich als Vertretung aller MuslimInnen (SchiitInnen, SunnitInnen, AlevitInnen) versteht, will den Friedhof auch für alle offen halten.
Allerdings fühlt sich die Alevitische Föderation, die sich darum bemüht, selbst als Glaubensgemeinschaft anerkannt zu werden, von den Planungen ausgeschlossen und betont, dass für sie Bestattungen auch auf einem christlichen Friedhof in Frage



Krankheit und Tod
"Obsorge für Kranke ist eine religiöse Pflicht"



Haben islamische Sterbende keine Angehörigen in Wien, werden nicht nur ihre Begräbnisse von ehrenamtlich arbeitenden MuslimInnen organisiert, auch als Kranke werden sie von den MitarbeiterInnen des Islamischen Besuchs- und Sozialdienstes unterstützt. Die Arbeit des mehrheitlich von Frauen getragenen Besuchs- und Sozialdienstes geht weit über die eigentliche Seelsorge hinaus. Sie schließt etwa auch Übersetzungen bei
sprachlichen Problemen mit ein. Die Mitarbeiterinnen Mona Elsabagh und Andrea Saleh vermitteln auch bei kulturell oder religiös bedingten Missverständnissen zwischen Kranken und Krankenhauspersonal.
Beide werden angerufen, wenn MuslimInnen verstorben sind, um gemeinsam mit Abd al-Ahl oder Ibrahim Ali die Bestattungen zu organisieren oder die religiös vorgeschriebenen Waschungen zu übernehmen.




Der Wiener Zentralfriedhof als Ruhestätte für MuslimInnen
"diese Plätze sind voll"



Der Wiener Zentralfriedhof als Ruhestätte für MuslimInnen diese Plätze sind voll Bereits seit dem 19. Jahrhundert wurden am Wiener Zentralfriedhof MuslimInnen bestattet. Lebten bis zur Annexion von Bosnien und Herzegowina durch Österreich-Ungarn im Jahr 1878 nur vereinzelt MuslimInnen in Wien, so wurden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch Bosnische Militäreinheiten in Wien stationiert. Der Grabstein eines islamischen Geistlichen, der diese bosnischen Soldaten betreut hatte und kurz vor dem Ende der Monarchie in Wien starb, ist heute der älteste noch existierende islamische Grabstein auf dem Zentralfriedhof.
Mitte der 70er Jahre wurde eine erste kleine islamische Abteilung geschaffen, die rasch voll war und deshalb durch eine ägyptische und eine zusätzliche islamische Abteilung ergänzt wurde. Die ägyptische Abteilung verwaltet der Ägyptische Club. Sie befindet sich in unmittelbarer Nähe der Gräber der ebenfalls aus Ägypten stammenden koptischen und der syrisch-orthodoxen ChristInnen. Die islamische Abteilung wird von der Islamischen Glaubensgemeinschaft verwaltet.




Von den Überführungen und Bestattungen in Vorarlberg
"langfristig auch eine mögliche Integrationsbremse"



In Vorarlberg leben nach der Volkszählung 2001 29.334 MuslimInnen (8,4 % der Wohnbevölkerung). Vorarlberg war das erste österreichische Bundesland, in dem der Islam zur zweitgrößten Religion wurde. Trotzdem gibt es noch keinen islamischen Friedhof. Die meisten Vorarlberger MuslimInnen lassen sich in jene Länder überführen, aus denen sie oder ihre Eltern einst gekommen sind, was mit hohen Kosten verbunden ist. Diese werden durch Versicherungen, die verschiedenen islamischen Dachverbänden nahe stehen, gedeckt. Nur wenige MuslimInnen machen von der Möglichkeit Gebrauch, sich auf christlichen Friedhöfen bestatten zu lassen.
Es gibt in keiner Gemeinde eigene islamische Abteilungen. Nur selten ist es möglich, wie auf dem Zentralfriedhof in Wien, die Gräber in Richtung Mekka auszurichten. Eigene islamische Friedhöfe stehen erst in jüngster Zeit zur Diskussion. Die Gemeinden konnten sich jedoch bislang auf keinen gemeinsamen Friedhof einigen.