Fischfabrik C. Warhanek um 1980
Vida Bakondy

Frauenarbeitsmigration
Beschäftigung ansässiger statt angeworbener Migrantinnen, um 1980


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Seit Mitte der 60er Jahre beschäftigte die Wiener Fischfabrik C. Warhanek direkt in Jugoslawien angeworbene Arbeiterinnen. Um 1980 änderte das Unternehmen seine Beschäftigungspolitik, indem es nunmehr in Österreich bereits ansässige (türkische) Migrantinnen für die Fabriksarbeiten einsetzte.
Diese Zeit markiert das Ende jahrzehntelanger Anwerbungspolitik des Unternehmens, um den Bedarf an saisonalen Arbeitskräften, die auf dem österreichischen Arbeitsmarkt seit Mitte der 60er Jahre nicht mehr rekrutiert werden konnten, abzudecken.
Die Fischfabrik, traditionell ein feminisierter Arbeitsort, wird mit Beginn der Anwerbung zunehmend „ethnisiert“. Die Gründe bringt der ehemalige Geschäftsführer der Wiener Fischfabrik Norbert Entres, auf den Punkt: „Das Image der Beschäftigung ist sicher ein Problem gewesen, das zweite eben die Geruchsbelästigung. Die gesamten Produktionsbedingungen waren halt nicht mehr attraktiv genug, dass man inländische Arbeitskräfte gefunden hat und die Ausländer haben das mehr oder minder machen müssen.“

Die Fischfabrik eröffnet zum einen Einblicke in die wenig beachteten unterrepräsentierten Geschichten der Frauenarbeitsmigration nach Österreich, zum anderen in die Interessen von Unternehmen an der Arbeitsmigration und ihrer Nachfrage nach billigen, flexiblen, sowie “verschiebbaren” Arbeitskräften.
Viele der angeworbenen Frauen widersetzten sich ihrer „Verschiebung“ ins Herkunftsland. Sie wechselten den Arbeitsplatz, suchten ihr Glück anderswo oder blieben jahrelang in der Fischfabrik.

MigrantInnen sind heute wie damals von einer Beschäftigungsmöglichkeit abhängig, da erst diese einen Aufenthalt garantiert und ein Überleben ermöglicht. Die Beschäftigungsverhältnisse waren und sind von schlechten Arbeitsbedingungen geprägt. MigrantInnen sind zudem von sozialen und rechtlichen Möglichkeiten der Mitbestimmung im Arbeitsleben ausgeschlossen, die es MehrheitsösterreicherInnen erlauben, andere und bessere (oder keine) Verdienstoptionen wahrzunehmen.

Fischfabrik Video




Zur Geschichte des Unternehmens
C. Warhanek Fisch- und Gemüsekonserven



Das Unternehmen C. Warhanek wurde 1858 vom tschechischen Migranten Karel Varhanek gegründet und hatte mehrere Niederlassungen in der österreichisch-ungarischen Monarchie.
Aufgrund politischer Veränderungen kam es nach dem 1. Weltkrieg zum Verlust der Betriebe an der Adriaküste, nach dem 2. Weltkrieg zum Verlust der restlichen Betriebe im Ausland.




Anwerbung
"haben jemanden gebraucht, der uns Rollmöpse wickelt"



Ab Mitte der 60er Jahre wurde die Anwerbung von Arbeiterinnen in Jugoslawien für alle drei Betriebe zentral organisiert. Vor Beginn der Saison beauftragte C. Warhanek die Arbeitsgemeinschaft für die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften (AG) Arbeiterinnen aus verschiedenen Regionen Jugoslawiens bereitzustellen, um sie dann vor Ort auszuwählen. Die Frauen mussten gesundheitliche Kriterien und ethnische sowie Alterspräferenzen des Unternehmens erfüllen. Den angeworbenen Arbeiterinnen wurden Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Der Großteil der Frauen wurde am Ende der Saison zurückgeschickt. Manche, wie Cvijeta Bojanoviç, 1974 am Arbeitsamt in Doboj angeworben, wurden in die Stammbelegschaft aufgenommen. Andere wechselten den Arbeitsplatz und blieben in Österreich.



Arbeit und Arbeitsbedingungen
"das Geld hat nicht gestunken"



Neben der geringen Entlohnung und den unregelmäßige Arbeitszeiten sind es physische Strapazen, bedingt durch Kälte und Nässe, sowie die Geruchsbelästigung durch Fisch, Zwiebel und Essig, die die Arbeit kennzeichnen. Aufgrund der rasch erlernbaren Qualifikationen, der die Fischverarbeitung bedurfte, galt das Prinzip der Austauschbarkeit von Arbeiterinnen. Die gesetzliche Lage, die den Aufenthalt von MigrantInnen an eine Beschäftigung koppelte, unterstützte den kontinuierlichen Fluss von ArbeitnehmerInnen zum Unternehmen. Die strukturelle Diskriminierung von MigrantInnen am Arbeitsplatz wird durch den Ausschluss vom passiven Betriebswahlrecht verschärft. Ab 1973, parallel zur steigenden Beschäftigung von Migrantinnen in der Wiener Fischfabrik, gab es keinen Betriebsrat mehr. Ähnlich die Entwicklungen in Villach und Linz. Forderungen nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen wurden somit so gut wie verunmöglicht.



Auslagerung in Niedriglohnländer
"K.u.K. Rollmöpse – ein Klassiker fürs Katerfrühstück"



Mitte der 80er Jahre erfolgte die Einstellung der Fischverarbeitungsproduktion in Villach, gefolgt von Linz 1989 und Wien 1993. Die Auflösung der C. Warhanek Betriebe markierte einen Wandel in der Rechtsnachfolge, der sich Mitte der 80er Jahre vollzogen hatte. In der Folge kam es zu Monopolisierungstendenzen in der österreichischen Fischverarbeitungsindustrie, begleitet von Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen. Anfang der 90er Jahre wurde die Produktion in ost- und südosteuropäische Länder ausgelagert. Heute wird unter anderem in Litauen produziert. Einige wenige Fischverarbeitungsunternehmen sind nach wie vor in Österreich angesiedelt, wie etwa die Firma Ozean, in der ungarische PendlerInnen arbeiten. Oder die in Linz angesiedelte Firma Elfin, in der mehrheitlich jugoslawische und türkische Migrantinnen (ohne betriebliches Mitspracherecht) beschäftigt sind.